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Anzeiger, St. Gallen, 7./8. Oktober 2003

Die Rotermund spricht Klartext

Uta Rotermund weiss, was sie will. Als der gelernten Schauspielerin das Theater in Deutschland zu miefig wurde, wechselte sie zu Radio und Fernsehen. Seit sieben Jahren provoziert sie mit Kabarett, demnächst in Konstanz.

 

"Können Männer denken?" Die Frage beschäftigt Uta Rotermund seit mindestens sieben Jahren - und brachte ihr gleich, als sie sie das erste Mal öffentlich stellte, ziemlichen Ärger. "Männliche Wesen in Leistungsfunktionen rissen die Plakate ab, die für mein Kabarettprogramm warben. Sie sprachen von Männerverachtung und drohten mit Prozessen", erinnert sie sich. 100 Jahre, nachdem Siegmund Freud behauptet hatte, die Frauen hätten keine Seele, konnten gestandene Männer es nicht ertragen, dass ihr Denkvermögen von einer Frau in Frage gestellt wurde!

Dabei hatte Uta Rotermund es doch nur nett gemeint, wie sie versichert. Die kabarettistische Nummer war nämlich ein Abschiedsgeschenk für einen lieben Kollegen im Funkhaus, an dem Sie damals arbeitete. Für ihn erfand sie die satirische Figur der Dr. Irmgard Töbel-Schleierkraut, mit der sie dann in den 90er Jahren in der TV-Sendung "liebe sünde" einem Millionpublikum bekannt werden sollte.

Die "nette Geste" für den Arbeitskollegen ist die reine Schutzbehauptung der kecken Uta, denn so wie sich das Programm mit den Jahren auswuchs, ist's beißende Satire. Da lernt Frau unter anderem die "fünf goldenen Tipps der Hundeerziehung zur praktischen Anwendung am Mann". Da heißt's beispielsweise: "Stellen Sie vom ersten Tag an klar, wer der Boss ist. Männer brauchen einen Leitwolf!" Und: "Die Welt ist eine große Wiese der Versuchung. Anleinen gegen Fremdschnüffeln!" Und weiter: "Macht Mann Mist, immer sofort rein mit der Nase (wegen Kurzzeitgedächtnis des Mannes)!" Klar, dass die dermaßen auf die tierische Ebene der Schöpfung Herabgestuften rebellierten. Frauen sahen es etwas gelassener, immerhin warnte eine die vorlaute Kabarettistin: "Sie stellen die Grundfesten der abendländischen Mann-Frau-Problematik in Frage, gemäß der Frau Fleisch und Mann Geist ist." Ein Kirchenmann wiederum bezeichnete sie als "Domina des deutschen Kabaretts". All das kümmert Uta Rotermund freilich wenig, solange sie mit diesem Programm nun bereits so manches Jahr meist volle Säle hat. Ihr lakonischer Kommentar zur männlichen Aufgeregtheit: "Männer müssen ein ganz mieses Selbstbewusstsein haben:" Ihr selbst scheint es daran nicht zu mangeln - und das liegt vermutlich an ihrer Kindheitsgeschichte.

Als älteste Schwester wuchs sie mit drei jüngeren Brüdern auf, in einem lebhaften Geschäfthaushalt (der Lebensmittelbranche), in dem sie die Mutter ganz selbstverständlich unterstützte. "Ich habe die Jungs miterzogen", sagt sie, und auch wenn der älteste Bruder nur zwei Jahre jünger war als sie, galt auch für ihn, was die große Schwester sagte. Die Geschwisterkonstellation hatte noch eine andere Auswirkung: Uta Rotermund ist ein Fußballfan. "Bei drei Brüdern ließ es sich gar nicht vermeiden, Fußball zu spielen", sagt sie. Heute beschränkt sie sich zwar beim Sport auf gelegentliches Schwimmen (und wenn man ihr die Wahl lässt zwischen einem Glas Wein und einer Lektion im Fitnessstudio, wählt sie Ersteres), doch lässt sie sich kein Match "ihres" Fußballklubs BVB entgehen. Da sie Hooligans, Prügeleien und Alkoholexzesse nicht ausstehen kann, meidet sie allerdings Stadions, verfolgt die Spiele am Fernsehen oder doch lieber im Radio.

Gewalterfahrung blieb ihr trotzdem nicht erspart. Vor drei Jahren wurde sie vor ihrem Wohnhaus krankenhausreif geschlagen - von einer Frau. Eine harte Lektion für Uta Rotermund. "Als du auf der Straße aufgeschlagen bist, bist du in der Welt angekommen", kommentiert einer ihrer Brüder den Vorfall. "Damals bin ich erwachsen geworden", sagt sie selbst. Sie gab die Wohnung auf, in der sie sich viele Jahre wohl gefühlt hatte, wechselte das Quartier, fand nach einigem Suchen ein neues Zuhause für sich und die beiden Katzen.

Gefahr, dass die zierliche Blondine dereinst als alte Katzenjungfer enden könnte, besteht übrigens kaum. Denn bei aller Kritik an Männern gibt's auch welche, die sie mag. "Ich war zwar nie verheiratet, weil ich mich nicht eigne zum Leben in Gefangenschaft, aber ich hatte einige große Lieben und hoffe, dass das nicht vorbei ist!", sagt sie. War die Liebe auch noch so groß, auf getrennte Wohnungen hat Uta Rotermund stets Wert gelegt bei all ihren bisherigen Lebensabschnittspartnern. "Ich will schließlich nicht in den Rang einer Zahnbürste gelangen", sagt sie. Gewohnheit in Beziehungen findet sie tödlich für die Liebe und Abstand wahren ist ihr wichtig für die richtige Perspektive auf den Partner. "Ich habe großen Respekt vor anderen Menschen", versichert sie. Das hat auch der deutsche Altmeister des deutschen Kabaretts Hans-Dieter Hüsch erkannt: Er bezeichnet die Rotermund als "zutiefst moralisch".

Wie muss ihr Traummann aussehen? "Wie George Clooney, witzig, intelligent, willensstark und von spielerischer Kreativität. Ich mag die Begegnung auf Augenhöhe und nicht den Mann, der die Banane hinter Gittern braucht", sagt sie in ihrer plastischen Ausdrucksweise. Gutes Aussehen schadet nicht und auch jünger darf der Traummann sein. "Ich habe ein Recht darauf, anspruchsvoll zu sein!" sagt sie mit Blick auf all die dickbäuchigen, wohlbetuchten älteren Herren, die ihre Gattinnen gegen Frauen eintauschen, die ihre Töchter sein könnten. In ihrem bald fünfzigjährigen Leben hatte Uta Rotermund "so manches männliche Schmuckstück", wie sie zugibt.
Flapsige Angriffigkeit ist die eine Seite der Uta Rotermund. Sie hat auch noch eine andere - die soziale: Da war sie beispielsweise mitbeteiligt an der Gründung eines Frauenhauses in ihrer Heimatstadt. Von jeder Eintrittskarte zu ihren Veranstaltungen gehen ferner zwei Euro an Medica mondiale, eine Einrichtung, die sich für kriegstraumatisierte, vergewaltigte, geschundene Frauen einsetzt. "Hier im Westen leben wir alle - auch wenn wir meckern - auf der Inseln der Seligen. Afghanistan oder Bosnien ist für eine Existenz als Frau dagegen bitterer", sagt sie.
An eigenen Nachwuchs hat Uta Rotermund nie gedacht. "Meine Kindererziehungsjahre habe ich bei den Brüdern abgedient", sagt sie. Zumal sie beruflich voll ausgelastet ist. Rund 100 Auftritte jährlich mit Kabarett, aber auch mit Lesungen, die sie anbietet, "um zu zeigen, dass ich auch eine gebildete Person bin", wie sie mit Augenzwinkern sagt. Sie mag Literatur und erzählt ihrem Publikum gerne Geschichten, die sie berühren und mit Gewinn hören.
Und selbstverständlich nimmt sie sich immer wieder Zeit, selbst Kultur zu tanken: etwa die spannenden Produktionen in den zu Theatern umfunktionierten Fabrikhallen des Ruhrgebiets und am Schauspielhaus Bochum. Dessen Leiter Matthias Hartmann schätzt sie so sehr, dass sie sich vorstellen könnte unter seiner Regie auch wieder einmal in einem Theaterstück auf der Bühne zu stehen.

Helga Schabel

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